WIE YANTRA YOGA DIR HELFEN KANN, DEINEN WEG ZUM WOHLBEFINDEN ZU ATMEN

Juli 2022


von Therese Pechstein —


Die Wurzeln des Yantra Yoga liegen in der tibetischen Tradition des Buddhismus des 8. Jahrhunderts. Zu Beginn war Yoga eine einfache Sache. Man setze sich hin, um zu meditieren und zu atmen. Im modernen Yoga ist der Aspekt des Atems verloren gegangen. Die Praxis des Atmens wird auf die Pranayama-Technik reduziert und man konzentriert sich vielmehr auf die Körperposen.

Die Atmung im Yantra Yoga

Yantra Yoga basiert auf Bewegung und Rhythmus, doch der zentrale Aspekt ist die Atmung. Es gibt zwei Arten: die fliessende und die raue Atmung. Die fliessende Atmung ist ein Atem, der so sanft wie möglich ist. Die raue Atmung hingegen ist kontrolliert und schnell. Die fliessende Atmung sollte von unten beginnen, ungefähr vier fingerbreit unterhalb des Bauchnabels, und direkt nach oben zur Nase fliessen. Die Ausatmung funktioniert umgekehrt. Sie beginnt oben an den Nasenlöchern und geht nach unten. Das ist die Atmung im Yantra Yoga. Das Anhalten des Atems erfolgt in einer bestimmten Position. Denn je nachdem wo man den Atem anhält, ist die Erfahrung auf der subtilen Ebene der Lebensenergie (prana) eine völlig andere.

Für mich liegt hierin eines der Geheimnisse des Yantra Yoga. Wer schon einmal ein intensives Meditations-Retreat über mehrere Tage und mit mehreren Meditationsstunden täglich mitgemacht hat, weiss, wie sich das anfühlt. Man ist entspannt, ruhig und ein bisschen abgedreht, denn der Geist ist nicht in der Lage, sofort wieder auf die vielfältigen, äusserlichen Impulse zu reagieren, denen man nach dem Retreat wieder ausgesetzt ist. Und genauso fühlte ich mich nach drei Tagen intensiven Yantra Yoga-Training. Die praktizierte Harmonie zwischen Konzentration, Bewegung und dem Nachspüren meiner Atmung im Körper, führte mich in eine tiefe Entspannung.

«Yantra Yoga ist von Anfang an Atmung, denn durch die Atmung können wir den Geist kontrollieren. Mittlerweile hat auch die Wissenschaft herausgefunden, dass der Atem eine Art Fernsteuerung des Geistes ist. Unser Geist hängt von Energie ab, hängt vom Atem ab, weil der Atem mit unserem Energieniveau verbunden ist.»

— Fabio Andrico

Ist der Atem blockiert, kann die Energie nicht mehr richtig zirkulieren und zu einem fragmentierten Atem im oberen Brustbereich führen. Dadurch befindet sich das sympathische Nervensystem in ständiger Erregung. Die Folge: man fühlt sich gestresst. Solange man die Atmung nicht kontrolliert, wird sich daran nicht wirklich etwas ändern. Denn der Atem steht in Verbindung mit unseren Emotionen. Bin ich nervös, atme ich auch nervös. Bin ich ruhig, ist auch meine Atmung ruhig.

Körper, Geist und Atmung

Die Form unseres Körpers beeinflusst die Art und Weise, wie sich der Atem in uns bewegt. Ein Atem, der nicht effizient und harmonisch ist, führt zu einer schlechten Körperhaltung und damit zu einer schlechteren Atmung. Yantra Yoga leitet die Atmung so genau wie möglich durch den Körper bis zu dem Punkt, wo sie konzentriert und fokussiert werden sollte. Das ist der Kern des Yantra Yoga, zusammen mit dem Rhythmus und der Bewegung.

«Im Yantra Yoga heisst es Körper, Stimme und Geist. Stimme bedeutet hier Atem. Es besteht eine gegenseitige Abhängigkeit. Wenn der Geist aufgeregt ist, ist die Atmung angespannt und dadurch auch der Körper. Die Spannung im Körper verändert die Haltung. Sie führt zu einer Haltung, die eine gleichmässige und fliessende Atmung, wie sie im Yantra sein sollte, nicht zulässt.»

— Fabio Andrico

Körper, Atmung und Geist sind miteinander verbunden. Wer einen Körper hat, muss atmen. Zudem besitzen wir die Fähigkeit, bewusst zu handeln. Gegenwärtig zu sein und sich die Dinge bewusst zu machen, ist die Ausrichtung der Achtsamkeit. Aber wenn wir innerlich zu aufgewühlt sind, ist es schwierig, achtsam zu sein.

Hierin liegt ein weiterer Aspekt des Yantra-Yoga: den Menschen zu helfen, präsent und entspannt zu sein. Wenn wir in der Lage sind, in unserem Leben Sicherheit und Bewusstsein zu empfinden, verändert das unseren Alltag zum Besseren. Wenn es weniger Spannungen gibt, konzentrieren wir uns automatisch weniger auf uns selbst. Wir haben Zeit und Raum, um zu verstehen, dass alles miteinander verbunden ist.   

In der Achtsamkeits- und Meditationspraxis wird viel Wert auf die Atmung gelegt, um zu erfahren, dass Atmung und Geist eins sind. Doch diese Erfahrung zu machen, ist nicht ganz so einfach. Yantra Yoga hilft mir dabei. Indem ich lerne, meine Atmung durch meinen Körper besser zu verfolgen, selbst zu Stellen, von denen ich bisher gar nicht wusste, dass sie atmen können, kann ich auch viel klarer meine Emotionen erkennen und beherrschen. Das hilft mir sehr im Umgang mit den Menschen und Problemen meines alltäglichen Lebens, da mir meine Atmung die Fähigkeit gibt, angemessen auf Herausforderungen zu reagieren.

Die «Acht Bewegungen zur Reinigung des Prana»

Im Yantra Yoga beginnt man sofort mit der Atmung, denn Yantra Yoga war ein Yoga für Yogis. Die Vorbereitung erfolgt durch die «Acht Bewegungen zur Reinigung des Prana». Sie helfen dabei, in einer effektiveren Weise zu atmen, denn durch eine bessere Koordination der Ein- und Ausatmung sowie des Anhaltens des Atems werden die verschiedenen Aspekte des Pranas gereinigt. Prana ist Energie und die Brücke zwischen Körper und Geist.

Der einzige Moment in der Yantra-Praxis, in dem man verweilt ist, wenn der Atem angehalten wird. Beim Ein- oder Ausatmen ist der Körper in ständiger Bewegung. Das Prinzip des Yantra Yoga besteht darin, eine vollkommene Synergie zwischen der Bewegung des Körpers, der Atmung und dem Rhythmus zu erreichen.

«Manchmal nennen wir Yantra Yoga das Yoga des Atems und der Bewegung. Aber es gibt auch den Rhythmus. Der Puls ist Rhythmus. Ausdehnung, Kontraktion ist Rhythmus. Alles ist Rhythmus, ist Schwingung. Rhythmus ist ein wichtiger Aspekt der Koordinierung unserer Lebensfunktionen. Im Yantra Yoga basiert der Rhythmus daher auf dem Herzschlag eines gesunden Menschen im Zustand der Entspannung.»

— Fabio Andrico

Yantra Yoga ist kraftvoll. Eine harmonische Kraft mit dem Atem, der darin eingebettet ist. Es ist wie ein Tanz. Ein Tanz der Energie. Durch das ständige Praktizieren der «Acht Bewegungen» wird der Atem geformt. Aber man muss es üben.

Im Yantra Yoga kann man super flexibel sein, aber wenn man nicht genau den Aspekt des Atems und des Anhaltens der Atmung berücksichtigt, ist es kein Yantra Yoga. Hier geht es darum, den Atem zu lenken und auf eine bestimmte Weise anhalten.

Die RESPIRA-Methode

Viele Menschen sind mittlerweile an eine flache Brustatmung gewöhnt. Für sie ist es schwer auf eine andere Weise zu atmen.

Deshalb habe ich die RESPIRA-Methode für Menschen entwickelt, die kein Yantra-Yoga praktizieren wollen oder können, aber trotzdem verstehen möchten, wie man zu einer besseren Atmung gelangen kann. Es geht darum, den Menschen zu helfen, die trainieren wollen, auf eine natürlichere Weise zu atmen.»

— Fabio Andrico

Der Zweck von RESPIRA ist, Menschen dazu zu bringen, die spontanste und natürlichste Weise des Atems zu erfahren, die möglich ist. Denn wenn man auf diese Weise atmen kann, wird auch der Geist folgen. Wie auch die «Acht Bewegungen» trainiert RESPIRA den Körper und das Gehirn, vorhandene Muster neu zu programmieren, um so eine andere Erinnerung zu schaffen.

Der Atem sollte den Körper bewegen. Dies funktioniert, wenn es eine vollkommene Synergie von Bewegung und Atem gibt. Gelingt es, den Atem in die Bewegung zu integrieren und den Atem die Bewegung führen zu lassen, wird die Bewegung viel geschmeidiger sein. Man muss sich weniger anstrengen und alles ist viel harmonischer. Das ist Yantra Yoga. Und das kann nur gelingen, wenn man nicht abgelenkt ist.

Yantra Yoga und Tibetische Medizin

In der Tibetischen Medizin wie auch im Yantra Yoga, geht man davon aus, dass jeder Mensch mit einer bestimmten Atemmenge geboren wird.

In der Tibetischen Medizin ist «Lung» die Energie der Bewegung. Es gibt fünf verschiedene Typen von Lung, die verschiedenen Teilen des Körpers zugeordnet sind und unterschiedliche Funktionen haben. Ist die Funktion gestört, etwa durch eine falsche Atmung, kann das zu Problem mit diesem speziellen Lung führen. Probleme, die nicht so einfach zu lösen sind, weil es sich dabei nicht um ein körperliches Problem handelt, sondern um ein energetisches.

«Yantra Yoga formt die Art und Weise, wie sich der Atem bewegt, um einen bestimmten Zustand des Atems zu erreichen, der Gesundheit bedeutet. Der Körper ist daran gewöhnt, den Atem zu formen, und der Atem ist gestaltet, um die Energie zu koordinieren und zu reinigen und dem Geist zu erlauben, entspannter und klarer zu sein.»

— Fabio Andrico

Im Yantra Yoga und bei RESPIRA geht es darum, einen Atem zu erfahren, der weniger konditioniert ist. Also eine spontane Atmung, ohne die Überstrukturen, die von Körper und Geist erzeugt werden. Etwas, dass sich sanft und natürlich anfühlt. Wo Körper und Geist zentriert und gleichzeitig entspannt sind, aber mit Energie. Ist der Verstand nicht der «wilde Affe», der die ganze Zeit umherspringt, eröffnet sich vielleicht etwas Raum, um eine neue geistige Dimension zu erleben.


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Therese Pechstein arbeitet als Online-Redakteurin. Seit mehr als zwanzig Jahren bereist sie die Länder Asiens und praktiziert seit zehn Jahren intensiv Vipassana Meditation. Im 2021 war sie Teilnehmerin am Yantra-Yoga Kurs mit Fabio Andrico im Landguet Ried. Der vorliegende Text basiert auf ihren eigenen Erfahrungen während des Kurses sowie auf ein Gespräch von Begoña Martinez, Managing Director des Landguet Reid, mit Fabrio Andrico im Juni 2022.